Kunsttöpferei - Friedrich Festersen - Anlage 15

Kunsttöpferei Friedrich Festersen

(Berlin 1909 - 1922)

Anlage 15

Albert Gessner im Kaufhaus Herrmann Gerson 1908


Zusammen mit der Ausstellung „Typenmöbel“ 1908 handelt es sich um das früheste bekannte Auftreten von Festersen-Keramik. Für beide Ausstellungen gibt es keine eindeutigen Quellen, die eine Zusammenarbeit mit Festersen belegen.

Es beruht nur auf dem Abgleich der ausgestellten Keramikobjekte mit den bekannten Waren aus dem Katalog „Kleingerät“ bzw. den eindeutig beschrifteten Abbildungen aus den Zeitschriften. Weil eine hohe Verwechslungsgefahr mit Bunzlauer Waren besteht, müsste hier eigentlich eine genauere Diskussion über die Objekte geführt werden.

Zunächst nur die zusammengetragenen Daten und Fakten:

Die Ausstellung 1908 wurden vom Berliner Innenarchitekten Albert Gessner ein Teil der Ausstellungsräume im Kaufhaus als Räume einer typischen Berliner Etagenwohnung gestaltet. Dieser Umbau wurde am 14. September 1908 eröffnet1. Über dieses Ereignis berichtet ausführlich die Dezemberausgabe der Zeitschrift „Innendekoration“ von 1908 aus der Verlagsanstalt von Alexander Koch, einem der wichtigsten Kämpfer für die Erneuerung des Kunsthandwerks und der dekorativen Kunst2.

Der offenbar recht bekannte Kunstschriftsteller Robert Breuer schreibt über Neuheiten aus dem Kaufhaus Herrmann Gerson, einem der zur damaligen Zeit führenden Kaufhäuser in Berlin und ein Inbegriff für Luxus und Exklusivität.

Zur Dekoration verwendete Gessner Keramikvasen und Schalen mit Bunzlauer Dekoren, von denen mindestens zwei als eher typisch für Festersen identifiziert werden können. Bei den anderen könnte es sich auch um bessere Waren aus Bunzlau handeln, was aber im Gesamtkontext eher unwahrscheinlich ist.

Für Festersen spricht: die extravagant hochgestellten Henkel an der Henkelvase, wie er auch an einem Krug im Katalog „Kleingerät“ zu sehen ist, die großen elliptischen und unregelmäßigen Schwämmelkreise auf der Vase, eher untypisch für Bunzlau.

Kaufhaus Herrmann Gerson

Gerson hatte in Berlin zwei Kaufhauspaläste. Einen für eine Vielzahl von Waren, das bekannt und berühmt war für seine Modeabteilung und einen, in der Werderstraße 9-12, für Möbel aber auch Kunstgewerbe. Das traditionsbewusste Haus bediente eine entsprechend traditionelle, wohlhabende Gesellschaftsschicht sowie einen adeligen Kundenstamm. Kurz nach der Jahrhundertwende vollzog Gerson einen Schwenk von traditioneller Gediegenheit zur Moderne. Neben den bisher angebotenen Möbeln in historischen Stilen und echten alten Möbeln bevorzugt im repräsentativen Prunk, setzte man nun seinem Publikum auch den neuen schlichteren Einrichtungsstil vor3.

Albert Gessner (1868-1953) 4

Albert Gessner war ein deutscher Architekt und Hochschullehrer, der vor allem auf dem Gebiet des Geschosswohnungsbaus arbeitete. Beachtung fanden vor allem seine Beiträge zur Entwicklung des großstädtischen Mietshauses. Ab 1881 Gymnasium und danach Gewerbeakademie in Zwickau; 1892–94 Architekturstudium, TH Charlottenburg; 1896 Tätigkeit im Architekturbüro Alfred Messel, Berlin; ab 1897 eigene Bauten als selbständiger Architekt in Berlin, daneben Entwürfe für Kunstgewerbe und Interieurs; u. a. Beteiligung an der „Großen Berliner Kunstausstellung“ (1901), Bau eines Mietshausblocks in Berlin-Charlottenburg, Bismarckstraße, Schillerstraße (1905–07); 1907 Gründungsmitglied des „Werkbundes“; 1910–1930 Bau von diversen Villen, Einfamilienhäusern und Mietshäusern in Berlin, Brandenburg und Thüringen; 1924–1945 Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, Berlin; 1928 Austritt aus dem „Werkbund“ und keine nennenswerte Bautätigkeit mehr.

Obwohl Gessners Schwerpunkt auf der Architektur lag, war er bis etwa zum ersten Weltkrieg auch im Kunstgewerbe aktiv. Zunächst gehörte er dem „Werkring“, einer „Vereinigung für Haus und Wohnungskunst“ von Berliner Künstlern, an, die von 1902 bis 1907 existierte. Ab 1909 gründete er sein eigenes kunstgewerbliches Unternehmen, die „Werkhaus“ GmbH in Berlin - Charlottenburg, das bis 1914 fortbestand.

Die „Werkhaus“ GmbH vertrieb als „Vereinigungsstelle“ kunstgewerbliche Erzeugnisse5 “die Gessner entworfen hatte und die in unterschiedlichen Werkstätten hergestellt wurden. Hierzu gehörten Möbel, Wand- und Bodenbeläge, Beleuchtungskörper sowie alle weiteren Gegenstände, die zur Einrichtung von Wohnungen benötigt werden. Die kunstgewerblichen Erzeugnisse des ‚Werkhauses‘ dienten vorrangig der Ausstattung der von Gessner entworfenen Häusern. Laut zeitgenössischer Kritik berücksichtigte Gessner bei seinen Arbeiten in erster Linie Bedürfnisse und Geldmittel des gebildeten Mittelstandes, nicht Luxuswohnungen schafft er, sondern Räume, die lediglich durch Verwendung soliden Materials, praktische Lösung aller Einzelformen, harmonische Gestaltung des Ganzen wirken, ...“6.

Zwischen Albert Gessner und Friedrich Festersen scheint es eine engere Verbindung gegeben zu haben. In den Jahren 1912/1913 finden sich weitere Berichte mit Festersenkeramik in: „Die Kunstwelt“ 1912/13 Bd. 2, Dr. Wilhelm Miessner: Die Bürgerwohnung, S. 75-80, S. 78 Esszimmer Albert Gessner mit einer Festersen-Vase; „Deutsche Kunst und Dekoration“ Bd. 31, 1912-1913 (Oktober 12 – März 13) Pallmann, Curt: Architekt Albert Gessner, Charlottenburg S. 326-331, Fotos mit Gessner-Einrichtungen S. 326-346, darunter mehrere mit Festersenkeramik (gut identifizierbar); „Innendekoration“ 24.1913. Hugo Lang-Danoli: Räume und Möbel von Albert Gessner S. 109, Fotos: S. 109-115, mehrere Abbildungen mit Festersenkeramik (gut identifizierbar).

Frau Dr. Claudia Kromrei, die über Gessner intensiv geforscht hat, wurde befragt, ob ihr aus den Unterlagen Informationen über Festersen bekannt sind. Das wurde verneint.

Im Archiv der „Akademie der Künste“ Berlin stehen noch 1,5 Meter Archivmaterial zu Gessner. Der Bestand enthält vor allem Lebensdokumente, Schriftgut, Manuskripte, Fotografien, jedoch keine Pläne und Zeichnungen.7

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Postkarte datiert 1913. Quelle: http://www. sampor.de/index.php?id=524
Mein Sammlerportal, private Sammlung, Christian Sakowski, Berlin zu den Themen Kaffee, Berlin & alte Reklame 13




1 Norddeutsche Allgemeine Zeitung. 47. Jg. Nr. 216, 13.09.1908

2 Breuer, Robert: Moderne Etagen-Wohnungen: im Möbelhaus Herrmann Gerson in Berlin. Innendekoration: mein Heim, mein Stolz; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort Bd. 19.1908, S. 359-376; http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/innendekoration1908

3 Verwendete Literatur: Zerstörte Vielfalt, geraubte Mitte Vertreibung aus dem Feentempel der Mode 17.11.2013 von Michael Zajonz, Tagesspiegel online http://www.tagesspiegel.de/kultur/zerstoerte-vielfaltgeraubte- mitte-vertreibung-aus-dem-feentempel-der-mode/9086256.html; Berding, Bianca (2012): Der Kunsthandel in Berlin für moderne angewandte Kunst von 1897 bis 1914. Diss.

FU Berlin.

4 Archiv Akademie der Künste Berlin https://archiv.adk.de/bigobjekt/25048,

5 Folgender Abschnitt aus der Diss von Bianca Berding S. 217, die ihre Informationen aus der Arbeit von Claudia Kromrei 2009 bezieht: Kromrei, Claudia (2009), Reform und Transformation eines Typus, das städtische Miethaus im Werk des Architekten Albert Gessner. Dissertation Technische Universität Berlin.

6 Der Gute Geschmack (1912), S. 136 (aus Berding 2012)

7 https://archiv.adk.de/bigobjekt/25048

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