Kunsttöpferei - Friedrich Festersen - Anlage 3

Kunsttöpferei Friedrich Festersen

(Berlin 1909 - 1922)

Anlage 3

Bauernkeramik

Zur Anfangszeit der Festersen Kunsttöpferei suchte man nach Stilen, die dem Historismus und dem elitären frühen Jugendstil entgegen gesetzt werden konnten; man suchte nach Einfachheit, Schlichtheit. Außerdem wollte man das Deutsche herausstellen, um sich damit von anderen Nationen abzuheben. Manche meinten, all dies in den traditionellen Töpfereien bzw. der Volkskunst finden zu können. Man kopierte nicht einfach die althergebrachten Formen und Dekore, sondern verarbeitete sie künstlerisch zu eigenständigen, modernisierten Entwürfen.

Alles in allem kann festgestellt werden, dass es eine Begeisterung für Volkskunst und für die traditionellen deutschen Waren gab, die auch die Keramik einbezog. Zum einen arbeiteten Kunstgewerbler im Stil dieser traditionellen Kunst und ließen sich von ihr inspirieren, zum anderen sollten die regionalen Handwerker aus den traditionellen Betrieben gefördert und fortgebildet werden, um ihren Produkten wieder eine größere Nachfrage zu verschaffen.

Parallel dazu wurden die potentiellen Käufer darüber informiert und belehrt, warum es richtig ist, wenn sie ihr Heim mit solchen Produkten schmückten. Richtig verstand man im Sinne von: das richtige Material, Haltbarkeit, Form etc. und richtig im Sinne von: Förderung der deutschen Wirtschaft und Identität.

Leider war und ist „Bauerntöpferei“ kein genau definierter Begriff. Die Bedeutung erschließt sich erst aus dem Kontext. Er wurde damals u.a. für die eher primitiven Töpferwaren aus den vergangenen Jahrhunderten benutzt. Man bezeichnete damit oft ältere/altertümliche Irdenwaren oder auch Steingut aus den alten Töpferzentren, wie Bunzlau, Bürgel, Westerwald, Hessen/Marburg. Die damaligen Autoren gingen dabei davon aus, dass solche einfachen Töpferwaren eben von Bauern hergestellt wurden oder wenigsten in erster Linie für Bauern. Das war allerdings ein Irrtum denn dort arbeiteten Berufstöpfer und die Waren wurden keineswegs überwiegend für Bauern produziert.

Zu Festersens Zeiten benutzte man „Bauerntöpferei“ auch für kunstgewerbliche Töpferwaren, deren Formen oder Dekore in Anlehnung an traditionelle Töpferwaren gestaltet waren. Präziser ist wohl in diesem Fall: in Art der Bauerntöpferei. Es wurde auch die „bäuerlich“ anmutende Kunstkeramik von jenen Betrieben aus den großen Töpferzentren wie Bürgel und Niederrhein so bezeichnet, die die lokale traditionelle Töpferware dem modernen Stil angepasst hatten und sich von den Vorschlägen führender Künstler leiten ließen und „gediegene“, haltbare und materialgerechte Waren herstellten.

Der Begriff Bauerntöpferei wurde in den kunstgewerblichen Zeitschriften nur selten benutzt. Wirft man jedoch einen Blick in die damalige keramische Fachliteratur wie „Sprechsaal“ oder „Tonindustrie-Zeitung“, so findet man besonders zwischen 1900 und 1910 diverse Artikel, in denen von (moderner) Bauerntöpferei die Rede ist.

Friedrich Festersen dürfte den Begriff eher bezogen auf moderne Bauerntöpfereien verwendet haben als er sich „Agentur für Bauerntöpferei“ nannte, „Bauern-Töpfe“ als Reklamebezeichnung an seinen Laden anbrachte und „Bauerntöpferei“ vertrieb. Man darf wohl davon ausgehen, dass es sich nicht um einfachste Töpferwaren handelte.

Seine eigenen Waren sind offenbar nicht direkt als „Bauernkeramik“ bezeichnet worden, aber damit in einen Zusammenhang gestellt worden z. B. in dem Aufsatz von Robert Breuer über die „Deutschen Werkstätten“ in „Deutsche Kunst Dekoration 1909“: „Sie [die Deutschen Werkstätten] sammeln auch alle gute Bauernkeramik und haben in der letzten Zeit die Arbeiten des Berliners Friedrich Festersen in Generalvertrieb genommen.“ 1

Die Arbeiten von Elisabeth Schmidt-Pecht (Konstanzer Künstlerin, 1857-1940) wurden beispielsweise häufig als Bauerntöpferei bezeichnet und als solche gelobt und gewürdigt. Unter anderem wurden ihre Arbeiten um 1900 wie folgt gelobt. Die Herkunft des zugrunde liegenden Textes konnte nicht geklärt werden. Der Auszug stammt aus einem Internetangebot ohne Quellenangabe, Titel „Was das Kunstgewerbe bringt“, ohne Autor:

„Wie mancher von uns hat auf der Wanderung durch deutsche Lande in einem alten Haus einen scheinbar primitiven Bauerntopf gefunden und als Andenken an die Reise mitgebracht! Daheim aufgestellt neben dem, was die Töpferkunst der letzten 50 Jahre bot, sah der grobe Bauer plötzlich ganz fein und künstlerisch aus, weil seine Form einfacher, seine Verzierungen charakteristischer war; er erschien wie ein Naturprodukt neben den gekünstelten und gezierten modernen Fabrikaten. Sehr glücklich erinnern Frau Schmidt-Pechts Töpfereien, von denen wir hier einige Proben bringen, an diese Werke der Volkskunst; auch sie sind nicht das Produkt langweiliger Schulungen und raffinierter Überlegungen, sondern einer frischen, künstlerischen Individualität, die geleitet durch einen sicheren Geschmack, ihre natürliche Sprache spricht, die erfreut wie der unverfälschte Dialekt des Volkes.“

Auch die Arbeiten von Max Laeuger in Kandern wurden schon mal als Bauerntöpferei bezeichnet: „Eine grössere Bedeutung hat aber in den letzten Jahren die Bauerntöpferei in Kandern unter der künstlerischen Einwirkung von Prof. Laeuger gewonnen und erfreut sich bereits steigender Beliebtheit und weiter Verbreitung. Die Formen sind einfach und geschmackvoll und zeigen eine vollfarbige und harmonische Bemalung.“2

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1906 kritisierte Robert Breuer die Auswüchse der Begeisterung für Einfachheit und Zufälligkeit, man sollte in kein Extrem verfallen: „Dies individuelle, zuckende Leben des Bildes [gemeint: im Impressionismus] imponierte den Kunstgewerblern, sie vergasen der natürlichen Grenzen ihrer Kunst (der Gebrauchsfähigkeit, Festigkeit, Handlichkeit), und so verfielen sie der Sucht nach dem Unfertigen, dem Primitiven, dem Zufälligen. – Besonders in der Keramik hat dieser Irrtum geradezu gewütet. Er machte die Bauerntöpferei salonfähig. Man begeisterte sich für die von Professoren posierte Simplizität, man wollte an dem Blumentopf noch den Fingerabdruck des Formers – nicht etwa nur spüren – nein, sehen. Eine andere Leidenschaft wurden die Fayencen mit Zufälligkeitswirkungen. — Gewiss, die irisierende Farbigkeit derartiger Überlauf-Glasuren birgt köstliche Reize (solch eine Fayence gibt einen famosen Farbfleck); ganz gewiss, in den durch die Technik bedingten Zufälligkeiten und deren geistreichen Ausnutzung offenbart sich bei zahlreichem Kunstgewerbe häufig eine temperamentvolle, pikante Schönheit. Das Unfertige kann fertig sein, und es ist oft erquickend, wenn man im fertigen Ganzen den Werdeprozess noch nachzittern fühlt.“3

Ein weiteres Beispiel für das verbreitete Lob auf Bauerntöpferei: „Dagegen ist es einer Reihe von jungen Künstlern und Künstlerinnen gelungen, mit den einfachsten Mitteln und viel Geschmack reizvolle naive Thonarbeiten in der Art der Bauerntöpferei zu schaffen, so besonders Franz Eberstein in Bürgel, Hans Kozel in Kohren (Sachsen), Clara Lobedan und Hildegard Lehnert in Berlin, Frau Elisabeth Schmidt-Pecht in Konstanz, Frl. T. u. H. Spielberg in Weimar und Ferd. Selle in Leipzig.“4

In der neueren Fachliteratur findet man auch die Ansicht, dass die Begriffe rund um „Bauerntöpferei“ abwertend gemeint gewesen seien. „Die derben geschwämmelten Waren aus Bunzlau wurden schon 1911/12 in der Fachpresse mit durchaus abwertend gemeinten Beschreibungen bezeichnet wie ‚urwüchsige Technik‘, ‚Bauernmalerei‘, ‚Bauerndekor‘“5. Hier greift Frau Rezepa-Zabel auf das Buch „Bunzlauer Geschirr“ zurück, in dem es auf S. 89 heißt: „Um 1912 tauchten Bezeichnungen wie ‚urwüchsige Technik‘, ‚Bauerndekor‘ und ‚Bauernmalere‘ für das geschwämmelte Geschirr auf. In diesen abwertenden Bezeichnungen drückte sich der vorherrschende bürgerliche Zeitgeschmack nach der Jahrhundertwende aus.“6

Dies kann anhand von Originalliteratur nicht nachvollzogen werden. In den zitierten Abschnitten werden die Begriffe beschreibend verwendet. Der jeweilige Autor benutzte die Begriffe, um seinen Lesern moderne Bauerntöpfereien vorzustellen. Einen generellen den modernen Bauerntöpfereien überwiegend negativ eingestellten bürgerlichen Geschmack gab es nicht.

In der „Tonindustrie Zeitung“ 1912, S. 1616 heißt es dazu: „...waren einige im Charakter der Bauerntöpferei gehaltene Stücke mit Schwammmustern ausgestellt. Diese letztere urwüchsige Technik betreibt Louis Lorenz in Tillendorf als Spezialität, er zeigt davon eine große Auswahl von Gebrauchsgegenständen und Vasen, von deren weißen Grund sich die blauen und grünen Schwammdekore wirkungsvoll abhoben.“

Im Bericht im „Sprechsaal“ 1912 S. 580 und 581 werden die Begriffe „Bauerntöpferei“ und „Bauerndekor“ nur beschreibend, aber nicht abwertend benutzt: „Unter den Reformbewegten schieden sich die Geister an diesen bäuerlichen Töpfereien [Frage, weil der Text es nicht hergibt: allgemein oder speziell in diesem Fall nur bezogen auf Bürgel?]. Osthausens Zuspruch erhielten sie jedenfalls nicht.“7. Diese Aussage wurde bisher nicht überprüft.

Bezogen auf Festersen sind die Ausführungen in „Die Kunst“ 1910, S. 137 ganz aufschlussreich. In dem Artikel „Über das Schenken“ belehrt Eugen Kalkschmidt die Weihnachtseinkäufer über die richtige Auswahl der jeweiligen kunstgewerblichen Waren. Es finden sich mehrere Abbildungen aus dem Katalog „Kleingerät“ mit Festersenwaren, also ihm als vorbildlich geltende Produkte. Zum Steinzeug bemerkt er: „Unser Bestreben sollte möglichst darauf gerichtet sein, die landschaftlich gefärbte Volkskunst nicht aussterben zu lassen. Die Bürgeler, die Steirischen, die Nassauer Steinzeuge bilden die alte Ueberlieferung lustig fort und haben sich von einem formlosen und aufdringlichen Naturalismus nicht unterkriegen lassen, haben den dekorativen Flächenstil auch in neueren Formen zu wahren gewusst. Die Gefahr ist hier eher die, daß diese dörflichen Manufakturen mit dem höchst persönlichen Stil einzelner Künstler wetteifern wollen und dabei nur all zu leicht ihre Sicherheit verlieren“ und weiter „Man achte vor allem auf Form und verschmähe jeden Umriß der durch reliefartigen Schmuck überladen und entstellt ist.“8

Zu einer Verbindung zwischen Künstlern, die im modernen neuen Stil entwarfen, und den Töpfern in den traditionellen Töpferzentren kam es auch, weil die jeweiligen Landesregierungen den Niedergang der handwerklichen Töpfereien und der Tonwarenfabriken aufhalten wollten. Die handwerklich arbeitenden Töpfereien waren durch die zunehmende industrielle Produktionsweise um 1900 besonders von preiswertem Emaille- später aber auch Gussfeinsteinzeug- und Aluminiumgeschirr benachteiligt. Man beauftragte namhafte Entwerfer, die für die lokalen Betriebe Entwürfe als Beispiele für moderne Formen, Dekore & Glasuren anfertigten sowie die Arbeitsweisen und Techniken modernisieren helfen sollten. Für die Töpferregion Bürgel war es Henry van den Velde, der sowohl Entwürfe lieferte als auch Firmen beriet und eine Kunstgewerbeschule gründete.

In Bunzlau setzte man auf die Königliche Fachschule und ihre Lehrer. Kurt Feuerriegel hatte einen entsprechenden Auftrag für die Region um Frohburg. In der Westerwälder Töpferregion arbeiteten zahlreiche namhafte Künstler für die größeren Firmen neue Entwürfe für das traditionelle Westerwälder Steinzeug aus und man betrieb ebenfalls eine spezialisierte Kunstgewerbeschule.

Möglicherweise erkannte Friedrich Festersen durch seine Arbeit als Vertreter für Bauerntöpferei das Potential dieser Waren und entschied sich für den Bunzlauer Schwämmeldekor, der in Bunzlau selbst keine herausragende Weiterentwicklung zum damaligen Zeitpunkt erfuhr. Die Bunzlauer ihrerseits vernachlässigten die Weiterentwicklung ihrer Schwämmelware. Besonders an der Fachschule in Bunzlau sträubte man sich, die traditionellen Schwämmeldekore weiterzuentwickeln und suchte stattdessen nach einem anderen Weg, den man mit Laufglasuren und später den Spritzdekoren fand und sich mehr mit dem Ausbau und der Verbesserung der Herstellung im industriellen Stil befasste.




1 Deutsche Werkstätten für Handwerkskunst Dresden und München. Robert Breuer Deutsche Kunst und Dekoration 1909 Bd. 24. S. 165-181

2 Vgl. Merk, Valentin: Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 4.1899, S. 445-465

3 Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 18.1906. Robert Breuer. zur Revision des Japanismus 445-448.

4 Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preußen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 13.1902; Von Dr. F. Becker: Die Fachausstellungen für Kunsttöpferei und Bronze-Kleinplastik im Kunstgewerbe-Museum zu Leipzig S. 93-97

5 Vgl. Rezepa-Zabel 2005, S. 80

6 Als Quelle für die genannten Bezeichnungen werden dort genannt:

E. 1912 Ausstellung des Kunstgewerbevereins in Bunzlau. In: Sprechsaal 45 S. 580-581, F.G. 1911 Die Keramik auf der Gewerbe- und Industrieausstellung in Schweidnitz. In: Tonwaren-Industrie 25/32 S. 374, 25/34 S. 397, 25/35 S. 409

7 Vgl. Rezepa-Zabel 2005, S. 81

8 Vgl. Die Kunst 1910 S. 137

 

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